Eine Saison auf Zeltplatz 4
Nur den oberflächlichen Beobachter erinnern die Wohnwagen der Dauercamper am Sorpe-See an den ihnen ursprünglich zugedachten Zweck: die Familie kurzerhand einzupacken, aufzubrechen, wann es einem gefällt, und sich niederzulassen, wo und wie es einem gefällt – das Gefühl der unendlichen Freiheit. Tatsächlich haben die meisten von ihnen im Laufe ihres Lebens nur eine einzige Wegstrecke zurückgelegt: vom Hersteller schnurstracks zum Campingplatz, und das noch auf einem Tieflader. Jahrzehntelang stehen sie dann wie zum Hohn festgewurzelt wie die sie umgebenden Bäume, Hecken und Zäune, eingezwängt zwischen Veranda, Loggia und Geräteschuppen, aufgebockt, die überflüssige Deichsel ist abmontiert und inzwischen verrostet. Nur der Schein des allzeit Mobilen bleibt gewahrt.
Annähernd eine Million Haushalte in der Bundesrepublik verfügen über eine eigene Parzelle zum Dauercampen. Das Leben auf diesen Plätzen wird durch eine Fülle von geschriebenen und ungeschriebenen Regeln und durch ein ebenso vielschichtiges Netz von Selbsteinschätzung und Fremdwahrnehmung gesteuert. Der Filmemacher Wolfram Seeger hat sich mit seinem Wohnwagen aufgemacht und verbrachte mit den Dauercampern von Zeltplatz 4 eine Saison am Sorpe-See im Hochsauerland.
Die Geschichte dieses Platztes beginnt in den Nachkriegsjahren, als die ersten Camper mit dem Fahrrad an die Sorpe fuhren und in kleinen Armeezelten auf Stroh übernachteten. Fast 200 Stellplätze gibt heute an derselben Stelle, die Camper, von denen einige die Anfangsjahre noch miterlebt haben, rekrutieren sich ausschließlich aus der näheren Umgebung, aus Hagen, Menden, Iserlohn, Herne, Gelsenkirchen oder Dortmund. Die meisten verbringen jedes Wochenende und ihre Ferien auf dem Platz, und nicht wenige – Frührentner, Arbeitslose, Mütter mit kleinen Kindern, Hausfrauen – bleiben den ganzen Sommer über hier. Am 31. Oktober endet die Saison, der Platz ist nicht winterfest.
Mit den Vorurteilen, die gegenüber der Spezies der Dauercamper sehr ausgeprägt sind, hält sich Seeger (mehrfacher Grimme-Preisträger, zuletzt 1997 für die Dokumentation „Dornröschen – Zwei Kinder erwachen aus dem Koma“) bei seiner Langzeitbeobachtung gar nicht erst lange auf. Seine Beobachtungen bleiben ohne Wertung und ohne Kommentar, sein Blick konzentriert sich auf den Alltag, der Jahr für Jahr in den vorgebenen Bahnen mit gleichförmigem Wellenschlag dahingleitet, und auf das Leben an der „Bude“, dem Imbiß, den der Platzwart bewirtschaftet. Hier im Eingangsbereich findet das gesellschaftliche Leben auf dem Platz statt, hier werden die großen und kleinen Nachrichten gehandelt und die Gerüchteküche am Köcheln gehalten, an diesen Plastiktischen und -stühlen muß jeder vorbei, der auf den Platz will.
Neben Hotti, Platzwart seit 14 Jahren, stellt Seeger noch andere Bewohner vor, die ihm im Laufe des Jahres ans Herz gewachsen sind:
Franz und Margot, beide Frührentner, die von Ostern bis Ende Oktober an der Sorpe bleiben,
Walter, der nach 40 Jahren Maloche die Rente eingereicht hat,
Freddy und Else, die rund um die Uhr seit 30 Jahren ihre schwerstbehinderte Tochter pflegen,
und Elvira, deren Mann schon lange tot und deren Kinder schon lange erwachsen sind.
Aus den Erzählungen dieser Personen kristallisiert sich allmählich eine kleine Welt aus Lebensläufen und Schicksalen, Hoffnungen und Enttäuschungen, Lebensfreude und Lebensangst, die so typisch sind für diesen Ort und zugleich für jeden anderen, an dem Menschen sich zusammenfinden und ihre Zeit verbringen.
Redaktion: Elke Hockerts-Werner, Reinhard Wulf
Zwischen Filzlatschen und Plastikstühlchen
„Ein Campingplatz am Sorpesee im Hochsauerland. Rund 200 Familien haben sich hier niedergelassen. Auf Zeltplatz vier stehen ihre Wohnwagen scheinbar für immer und ewig, zum Teil sehen seit Jahrzehnten Es sind Dauercamper, die in dieser idyllischen Gegend his zu sieben Monate im Jahr verbringen. Die meisten von ihnen kommen jedes Wochenende und während der Ferien. Andere – Frührentner, Arbeitslose, Mütter mit Kindern – bleiben den ganzen Sommer über.
Grimme-Preisträger Wolfram Seeger hätte seinen Wohnwagen … aber durchaus auch an anderen Orten in Deutschland aufschlagen können, denn die besondere Spezies ist nahezu überall anzutreffen. Annähernd eine Million Haushalte verfügen hierzulande über eine eigene Parzelle zum Dauercampen. …“
Mitteldeutsche ZeitungMeisterhaft
„… Es sind die Brüche, die Zwischentöne und das respektvolle Vertrauen des Filmemachers, das diesem Film seine besondere Authentizität gibt. Seeger, zugleich auch Kameramann, ergänzt diese Eindrücke mit schlichten bis poetischen Impressionen und öffnet durch den langsamen Erzählrhythmus auch den Zugang zu einer scheinbar fernen Welt und ihren Erfahrungen. Spätestens, wenn schließlich der Novemberschnee das Gelände in eisige Einsamkeit hüllt, spürt auch der Zuschauer ein tiefes Gefühl der Melancholie. Ein dokumentarisches Meisterwerk, das beweist, daß es auch jenseits lärmender, bizarrer oder empörender Inhalte spannende und intensive Fernseherlebnisse gibt.“
Bonner General-AnzeigerHotti und die Rentner
„… Selbst die ansonsten spinnefeinden Fraktionen der Kultururlauber und Spaßtouristen sind sich darüber einig, daß diese Form des Verreisens ja wohl das Letzte sei. Der Autor von „Dauercamper – eine Saison auf Zeltplatz 4“ sieht das anders. Er ist nicht ausgezogen, eine Gruppe Spießer im Bierzelt zu überraschen. Er nimmt seine Gesprächspartner ernst und verzichtet auf jeden Kommentar. Auch als Kameramann ist Seeger Purist. Es zieht ihn zu unbewegten Bildern. die er am liebsten beschaulich aneinanderreiht. Das macht den Film nicht spannender; aber es paßt. Denn auch das Leben auf Zeltplatz 4 verläuft in ruhigen Bahnen.
… Man wüßte nicht zu sagen, was der Autor falsch macht. Er hat Geduld und stellt seine Fragen taktvoll und sensibel. Die Befragten erzählen auch vieles, was sie sonst wohl nicht erzählt hätten: von besseren Tagen, von der Einsamkeit, von einem Sohn, der auf dem Campingplatz gestorben ist, und von „fünfzehn vergeudeten Jahren“ als Platzwart. Mit Camping hat das freilich nicht mehr viel zu tun Wolfram Seeger tut, was ein naßforsches privates Boulevardmagazin nur von sich behauptet: Er zeigt „die Menschen hinter der Geschichte“. Aber vielleicht hätte man doch lieber erst einmal die Geschichte.“
Frankfurter Allgemeine ZeitungSoziotop vom Sorpesee
„… Den Urlaub damit zu verbringen, daß man sich eine Höhle baut, respektive ein Zelt aufschlägt, und dann auch noch an einem Seeufer mit „wunderbarer Aussicht“ – das ist menschengemäß. Die Dauercamper vom Zeltplatz 4 am Sorpesee im Sauerland haben mit Zeltplanen auf Holzgerüsten angefangen; damals gab es weder Wasser noch Strom, aber jede Menge wechselseitige Hilfe und große Lagerfeuer. Inzwischen ist das Zündeln verboten, das ehemalige Zeltdorf besteht aus einer Agglomeration von Wohnwagen mit Vollkomfort und Parabolantennen.
… Ein wunderschöner Film über den Homo sapiens, kurz bevor die Forschung dahinterkam, daß der Höhlenbautrieb von der Evolution noch längst nicht zerrieben wurde und daß seine Befriedigung den Zweibeinern mehr bedeutet, als Gast zu sein im Schloßhotel. Die Schwalbe baut ihr Nest auf dem Platzlautsprecher, sie zeigt allen, wie es geht und wo der Sinn ist.“
Die ZeitSaison auf Zeltplatz 4
„… Ja, sie sind schon eine eingeschworene Gemeinschaft, die 165 Familien vom Zeltplatz 4 an der Sorpe. Sie kommen aus Hagen, Iserlohn, Menden oder Dortmund. Sie kennen sich seit Jahrzehnten, verbringen so gut wie jedes Wochenende und viele auch ihre Ferien auf der Parzelle mit Blick auf Amecke. Ihren Wohnwagen haben sie oft nur einmal bewegt – auf der Fahrt vom Hersteller zum Campingplatz. Nun stehen die schmucken Mobilheime festgewurzelt wie die Bäume und Zäune drumherum zwischen Veranda und Geräteschuppen. Eine kleine, wohlgeordnete Welt für sich, in der Platzwart Hotti, der alles und jeden kennt, seit 14 Jahren das Regiment führt. …“
WestfalenpostDen Blick schärfen
„… Seeger hält sich bei dieser Dokumentation immer im Hintergrund Er beschreibt die kleine Welt der Satelliten-Schüsseln, Stiefmütterchen und Kofferradios, aber er bewertet sie nicht. Vielmehr weckt der Regisseur das Interesse für die Menschen vom Zeltplatz 4, der sich überall in Deutschland befinden könnte, Warum leben diese Menschen auf dem Platz, eine halbe Stunde entfernt von ihrer Wohnung? Wo liegt der Reiz eines Lebens im Wohnwagen mit Waschmaschine und Wäschetrockner? Eindeutige Antworten gibt der Film nicht. Er liefert Impressionen, fordert dazu auf, sich ein eigenen Bild zu machen – von den Campern und auch anderen „ganz normalen“ Menschen.“
Westfälische Zeitung„… Die scheinbare Behäbigkeit des Lebens zwischen Wohnwagen und Bierbude, zwischen Klatsch, Grill und“ Glotze“, die heikle Balance zwischen naturliebender Freiheit und beständiger Geborgenheit, zwischen Kameraderie und Einsamkeit – sie machen den Film des Grimmepreisträgers zu einer kleinen Fortsetzungsgeschichte, die das Leben schrieb.“
Stuttgarter ZeitungKleine Freiheit Nummer 4
„… Sie ist bewegend, die Reise in eine scheinbar so bekannte und doch so unbekannte Welt. Bewegend, mit welcher Sachlichkeit, mit welch unbewegter Miene die Camper von Schicksalsschlägen sprechen, die sie getroffen haben. Und von den glücklichen Erinnerungen, die sie in alten Fotos konservieren. Nicht, daß einem am Ende dieser Dokumentation die Welt der Dauercamper näherstünde; auch nicht vertrauter oder gar sympathischer. Aber man schaut mit einem anderen Blick, sieht die Menschen hinter den Klischees, spürt die Tragik und den Mut, die aus dem Leben jedes „Dauercampers“ ein unverwechselbares Leben machen. Und man schämt sich ein wenig der Arroganz, mit der man gewöhnlich auf solche Leute blickt.“
Das SonntagsblattHeimat nah der Heimat
„Wenn Wolfram Seeger sich in seiner Dokumentation über das Leben auf einem Zeltplatz mit Kommentaren und Wertungen vornehm zurückhält, so hat das einen guten Grund: Der Journalist kann sich diese Mühe ruhigen Gewissens sparen, die Bilder, die Gesichter, spätestens aber die Interviews mit den Dauercampern am Stausee sprechen für sich und bedürfen keiner Kommentierung. Daß Seeger sie nach wohldosierten Fragen einfach reden läßt, ist die Stärke dieses Films. …“
Hannoversche Allgemeine Zeitung„… Wie wir von Hotti, Franz und Margot erfuhren, hat zuallererst Ordnung auf dem Campingplatz zu herrschen. Im Grunde unplausibel, denn verläßt man seinen festen Wohnsitz nicht auch, um einmal etwas Freiheit und Abenteuer zu erleben? Dauercamper aber schleppen ihre Couchgarnitur im Geiste ständig mit. Für unsereins, die wir zu den Nicht-Campern gehören, hatte dieser „Garten Eden“ mit seinen Ge- und Verboten eher etwas Bedrohliches.“
Mannheimer MorgenSaison auf Zeltplatz 4
„… Seeger beobachtet Menschen aus vertrauter Nähe und begleitet sie mit einfühlsamem Blick durch ihren unspektakulären Alltag, der von den kleinen Freuden des ungebundenen Lebens gekennzeichnet ist und Jahr für Jahr in den vorgegebenen Bahnen gleichförmig dahingleitet Er redet mit seinen Partnern, die allesamt aus der Welt der sogenannten kleinen Leute kommen, in ihrer Sprache und läßt sie ihre Lebensgeschichten erzählen, ohne sich selbst mit Wertungen und Kommentaren einzumischen. …“
Sächsische ZeitungDer kleine Horrorplatz
„… Vor allem die Alten erinnern sich gern daran, daß alles früher besser war als heute, wo das Leben auf dem Platz erlischt, wenn abends um acht die Spielfilme beginnen. Seeger nimmt diese Klagen ernst und versucht nachzuvollziehen, wie aus einer gutnachbarschaftlichen Solidargemeinschaft in windschiefen Steilzelten ein Zweckbündnis von Individualisten mit Wohnwagen, Strom und Fernsehen wurde. Und macht nebenbei vor, warum man diese kleine, enge Welt, wenn schon nicht um ihrer selbst, dann wenigstens um ihrer Bedrohtheit willen lieben kann, weil sich darin schließlich auch unsere eigene Verletzlichkeit widerspiegelt. Ein großes Gefühl, das erstaunlich ansteckend wirkt.“
TV tip„Dauercamper können den oberflächlichen Betrachter dauern, müssen sie doch Jahre ihres Lebens in der spießigen Enge eines Platzes absitzen. Adolf-Grimme-Preisträger Wolfram Seeger schaute sich so eine Wohnwagenburg am Sorpesee im Hochsauerland genauer an und entdeckte die Buntheit eines kleinen Welttheaters. …“
Der SpiegelDauercamper am Sorpesee: „Hier bin ich aufgehoben“
„Tagsüber sitzen sie, zumeist in bequemen Trainingsanzügen (was freilich immer auch ein wenig verwahrlost wirkt), oft am Büdchen beisammen und verdrücken so manches Pils. Der Tonfall untereinander ist scherzhaft-derb, aber herzlich gemeint. Zwischendurch aber fallen immer wieder Seufzer-Sätze wie „Wat willze machen?“ oder „Das Leben muß weitergehen.“ Und man ahnt: Diese Menschen haben manche Verletzungen und Enttäuschungen erlitten. Nun wollen sie ihre Ruhe haben und die Zeit schmerzlos verrauschen lassen. Viel mehr verlangen sie nicht mehr vom Leben. „Platz 4“ dient ihnen auch als Wagenburg gegen die Zumutungen der Welt.“
Westfälische RundschauAuf dem Campingplatz
„… Filmemacher Wolfram Seeger hat sich mit seinem Wohnwagen eine Saison lang Dauercampern angeschlossen. So ist eine hochinteressante Dokumentation über ein erstaunlich intaktes, wenn auch zuweilen etwas chaotisches Gruppenleben entstanden. In seiner Langzeitbeobachtung schildert Seeger den Alltag von Frührentnern, Arbeitslosen, Müttern mit kleinen Kindern, Hausfrauen und Hausmännern. Die meisten verbringen den ganzen Sommer auf dem Platz, und kommen aus der näheren Umgebung. Vorurteile kennt Seeger nicht. Niemals belustigt er sich auf Kosten der Camper. Mit der Kamera ist er zugegen, auch wenn der Tag einmal in Traurigkeit verrutscht. …“
Frankfurter RundschauEhrlich
„… Was alle bedauerten: die Kommunikation ist hin, seit Fernseher plus Schüssel Einzug in die Wohnwagen gehalten haben. Lebens- und Erlebensberichte, detailgetreu, ehrlich, da wurde kein Blatt vor den Mund genommen. Doch 90 Minuten unkommentierte 0-Töne und ausschweifende Kamerablicke über Wasser und Land waren des Guten zuviel, da wurde es schlichtweg langweilig.“
Berliner MorgenpostDauercamper
„… Eigentlich hocken da lauter Eigenbrötler in ihren Wohnwagen, die sie zu perfekten, wenn auch engen Behausungen ausgebaut haben und in denen sie schalten und walten wie zu Haus in Gelsenkirchen, Dortmund, Hagen und Herne. Man guckt sich nicht gegenseitig auf den markisenumgürteten Freisitz und besucht sich nicht im Bau; man trifft sich „oben“. Und schwärmt Wolfram, dem Mann mit der Kamera, vom schönen Leben früher vor, als alle auf Zeltplatz 4 noch eine große Familie waren und abends die Lagerfeuer an der Sorpe loderten.“
Rheinische PostNicht mobil und nicht daheim
„Wann hat sich das Fernsehen das letzte Mal für einen Spritzlackierer, einen Lkw-Fahrer oder Metzger interessiert? Für Menschen, die in ihrem Leben nichts Außergewöhnliches geleistet haben – jedenfalls nicht in einem journalistischen Sinn? „Dauercamper – eine Saison auf Zeltplatz 4“ wirkt exotisch, gerade weil seine Figuren so durchschnittlich sind. Wolfram Seeger führt in eine Welt der Häkelgardinen, Satellitenschüsseln und Gartenzwerge, die ungemein spießig wirkt, aber doch erstaunliche Geschichten zu bieten hat. Denunziert werden die Menschen in diesem Film nicht.
… Das Bild des Dauercampers erscheint schließlich fast wie eine Metapher: für Menschen, die nie unterwegs waren, in ihrem Leben aber auch nie ganz daheim.“
Süddeutsche ZeitungSaison auf Zeltplatz 4
„… Je mehr unser Leben medialisiert ist, desto weniger Bilder haben wir davon, wie wir wirklich leben, desto schwieriger wird es für den Dokumentarfilm als Medium der Binnen-Ethnographie, Orte und Situationen zu finden, in denen sich das soziale und individuelle Leben offenbart, ohne in die Medienfalle zu tappen und ohne zur wohlfeilen Beute zu werden. Wolfram Seeger hat in „Dauercamper“ einen solchen Platz gefunden und hat sich ihm und seinen Menschen nicht nur behutsam und fair genähert, sondern auch mit einer beständig spürbaren Sympathie. Das schließt nicht aus, daß wie an allen solchen Orten, auch das Groteske, das Brutale, das Grausige sichtbar wird.
… Jede Wahrheit ist nur durch die absurde Situation zu konstruieren, zugleich mittendrin und ganz weit draußen zu sein. Und Seegers Lösung ist so einfach wie genial: Er kreuzt die Beschreibung eines sozialen Mikrokosmos mit einer Anzahl individueller Lebenslinien und überläßt es uns, die Zusammenhänge herzustellen. Und wenn er zwischen die Interview- Passagen und die Beobachtungen des Lebens am Platz kleine Montagen der Blicke auf natürliche und kulturelle Dinge an diesem Ort schneidet, dann strukturiert das nicht nur das Material auf eine kompositorische Art, sondern eröffnet dem Blick noch einmal ein Feld der Beobachtungen. Das Enge und das Weite, das Offene und das Geschlossene, das Normale und die Sehnsucht, all das bildet ein widersprüchliches und dynamisches System aus.
Und schließlich geht es in „Dauercamper“ nicht nur um den Blick auf Menschen in einer bestimmten sozialen Situation, sondern auch darum, wie Blicke eine solche Situation konstituieren, wie soziale Kontrolle ebenso wie Selbstvergewisserung durch ein System der Blicke, der Beobachtung und des Verbergens entsteht. …“
FreitagDie vielsagenden Details
„… „Dauercamper“ ist ein hoffnungslos altmodischer Film. Keine schnellen Schnitte, keine schrägen Bilder, keine schrillen Entdeckungen. Fließt ruhig dahin wie die Sorpe und wie das alltägliche Camperleben. Und entlockt dabei dem Zeltplatz, an dem man sonst achtlos vorüberführe, unerwartete Ansichten und Schönheiten. Wo ein Trampelpfad „Küstennebel“ heißt, kann es auch wie Nordsee aussehen. Exzellentes Filmhandwerk. Gekonnte Tempowechsel zwischen Interviews und stillen Beobachtungen. Ein Gespür für vielsagende Details. Konzentrierte Bilder, oft streng kadriert. Ein sorgfältig gearbeiteter Ton (Norbert Schröder), eine schlüssige Dramaturgie, die den Wechsel der Jahreszeiten ebenso abbildet wie die Stimmungen der Menschen.
… Gewiß, man könnte über die Dauercamper und das kleine Glück an der Sorpe auch ein schnelleres Stück erzählen. Passiert ja nicht viel. Warum bloß kommt in eineinhalb Stunden nicht eine Minute Langeweile auf?“
epd medien