Schützenfest
600 Einwohner hat das Dorf Mellen. Das „Golddorf“ liegt in unmittelbarer Nähe der Sorpe-Talsperre und gehört zur Gemeinde Balve. 1991 errangen die Meller im Wettbewerb „Unser Dorf soll schöner werde“ Gold auf Landesebene und 1992 Bronze auf Bundesebene.
Jeder männliche Einwohner tritt mit dem Vollenden des 18. Lebensjahres der St. Hubertus Schützenbruderschaft bei, das gehört zum guten Ton und wird nicht in Frage gestellt. Trotzdem nehmen die Klagen zu über mangelnde Einsatzbereitschaft, gerade bei den Jungen, nicht nur in der Schützenbruderschaft sondern auch in den anderen Vereinen, den Katholischen Frauen, der Freiwilligen Feuerwehr, den Gesangsvereinen, dem Sportverein.
In jedem Jahr findet am ersten Wochenende im August, von Samstag bis Montag, das Schützenfest statt, der absolute Höhepunkt im Jahresablauf. Im Jahr 2000 hat sich der Filmemacher Wolfram Seeger während des Schützenfestes in Mellen aufgehalten, Kontakte geknüpft und den neuen König Rainer Vedder und seine Frau Astrid kennen gelernt. 2001 ist er mit der Kamera wiedergekommen und hat nicht nur das Schützenfest, sondern auch das Leben im Dorf im Ablauf der Jahreszeiten beobachtet.
„Glaube, Sitte, Heimat“ lautet das Motto der Schützenbruderschaft in Mellen. Die ersten Schützenbruderschaften entstanden bereits im Mittelalter. Anfangs wurden sie als Schützen in den Diensten der jeweiligen Landesherren verpflichtet. Die Entwicklung der Schützenbruderschaften ist auf eine aus Flandern kommende Bewegung zurückzuführen, die insbesondere Werke der christlichen Nächstenliebe und den Schutz der Heimat propagierte. Gegen Ende des 14. und zu Beginn des 15. Jahrhunderts etablierten sie sich auch in Deutschland.
Nach dem Dreißigjährigen Krieg büßten die Schützen zeitweilig an Bedeutung ein. Zur Renaissance kam es ab Mitte des 19. Jahrhunderts durch die vielen Wieder- und Neugründungen von Schützenvereinigungen, um die „Ideen der neuen Demokratie“ zu fördern. Neben den neu erworbenen Freiheitsrechten verstärkte sich der Gedanke vom gegenseitigen Beistand und Schutzgeben, zumal mit Beginn des Industriezeitalters alte Normen des Zusammenlebens zusehends außer Kraft gesetzt wurden.
Anders als in den Schützenvereinen spielt in der Schützenbruderschaft der Schießsport keine Rolle, geschossen wird ausschließlich an Schützenfest-Montag auf den Vogel. Wer den letzten Rest des aus Pappelholz gefertigten Vogels runterholt, ist König für ein Jahr. Dabei kann jeder Schützenbruder König werden, Absprachen oder Einflussnahme durch den Vorstand gibt es in Mellen nicht.
In Mellen feiert man Schützenfest
“…Wolfram Seeger liefert mit seiner Dokumentation eine ausgemachte Fleißarbeit ab. Von Freitag bis Sonntag, von morgens bis abends war er dabei und hielt seine Kamera auf das Geschehen, außerdem führte er zahlreiche Interviews, vorzugsweise mit Ehepaaren in ihren Eiche-rustikal-Wohnzimmern, und montierte sein Material mit einigen Vor- und Rückblicken auf einer ansonsten stringenten Zeitachse. …“
Westfälische RundschauDorfleben im Lauf der Jahreszeiten
“… Entstanden ist dabei ein unaufgeregter Dokumentarfilm, der nun erstmals in voller Länge ausgestrahlt wird. … Angenehm, dass Filmautor Seeger nahe liegende Ironie und Überheblichkeit vermeidet und sich darauf beschränkt, ohne Vorurteile die Bedeutung dieses Ereignisses für die dörfliche Gemeinschaft einzufangen. …”
Neue Osnabrücker ZeitungDas Dorf hinter dem Dorf
“… Vom Schützenfest in Meilen erzählt Wolfram Seeger in seinem ruhigen und freundlichen Film. Er geht ohne Häme und Vorurteile an die Arbeit. Man kann sich leicht vorstellen, wen die Jungs von der schnellen TV-Reportage hier gesucht und gefunden hätten: biersaufende Hinterwäldler und zickige Landpomeranzen. Schützenfest eben. Seeger jedoch nimmt seine Protagonisten ernst. Geradeaus und ohne Mätzchen baut er sie vor der Kamera auf, lässt sie sprechen und sich zeigen. …”
Süddeutsche ZeitungEthnologen im Sauerland
“… Höhepunkt gesellschaftlichen Lebens ist alljährlich im August das Schützenfest. Der Dokumentarfilmer Wolfram Seeger hat das Treiben rund um die höchsten Meller Feiertage über mehrere Wochen beobachtet. Die Frauen binden Girlanden; Männer richten Fahnenmasten auf; der Gesangverein stimmt Hymnen auf die Heimat an. Irgendwann ist der Tag da: Die Schützenbrüder setzen komische Hüte auf, marschieren im Gleichschritt durchs Dorf und machen mit ihren Ehefrauen zur Blasmusik ordentlich einen drauf.
Wie schon in seiner am nahen Sorpesee entstandenen Langzeitbeobachtung “Dauercamper” erliegt Wolfram Seeger auch bei dieser Exkursion ins Sauerland nicht der billigen Versuchung, sich über seltsame Rituale lustig zu machen. Vielmehr gelingt ihm mit dem Blick eines Ethnologen das minutiöse Porträt des Ortes. Die anfängtliche Idylle wird dabei zunehmend brüchiger. …”
Frankfurter RundschauSchützenfest
“… Der in Köln lebende Dokumentarfilmer zeigte das Bild eines gefährdeten Schützenvereins in dem sauerländischen Dorf Mellen. Der Nachwuchs ist wie in allen Vereinen des kleines Dorfes knapp. Ein ungebrochenes Verhältnis zur Tradition ist bei genauerem Hinhören bei keinem der Seegerschen Gesprächspartner mehr anzutreffen. Man macht bei dem Fest mit, um nicht in der strukturlosen Moderne unterzugehen. Der Verlust der der dörflichen Sicherheit ist überall zu spüren. …”
Der SpiegelVolltreffer
“… Wer sich traut, über diesen Landstrich einen Dokumentarfilm zu drehen, der nicht nur “Schützenfest” heißt, sondern auch noch zwei Stunden dauert, provoziert die Frage: Ist der Mann – er heißt Wolfram Seeger – des Wahnsinns? Weit gefehlt. Deutschland, vertrautes und doch so fernes Land: In Mellen geht einmal im Jahr die Post ab. Wer dort den prächtigen Holzvogel schießt, ist Dorfkönig. Schießwut? Nein. Am Vogel und Schützenverein hängt mehr: Die Dorfgemeinschaft, die Verteidigung der Tradition, die immer aussichtsloser wird, weil das Dörfliche stirbt….”
Mannheimer MorgenSchützenfest
“… Der Pfarrer der erzkatholischen Gemeinde schwadroniert beim Programmpunkt Kranzniederlegung über Mellens gefallene Söhne, die er vom Rest der Welt nicht als Verlierer tituliert sehen will, haben sie doch “für etwas Höhere gekämpft”. Wolfram Seeger lässt die Aussagen umkommentiert, die spießbürgerliche Einfalt entlarvt sich von selbst, wenn beim morgendlichen Ansaufen zu Ehren des Schützenkönigs feierlich verlesen wird: “Schon wieder ist ein Jahr vergangen, als hätt das Ganze keinen Sinn.”
Stern tv magazinStatus quo und Lebensfreude
“… Dort hat Wolfram Seeger nicht nur kurz vorbeigeschaut, um sich die seltsamen Riten feierfreudiger Provinzler anzusehen – er ist eingetaucht in den Mikrokosmos dieses Ortes, hat über die Jahreszeiten hinweg das Panorama einer Gemeinschaft eingefangen. Die dokumentarischen Miniaturen des so genannten Alltags der kleinen Leute, der Blick für die markanten Momente im scheinbar Banalen prägt Seegers Filmographie, die er diesmal etwas unruhig fortschrieb.
Von “Dornröschen”, dem ungewöhnlich subtilen Langzeitbild zweier erwachender Koma-Kinder bis hin zu den poetischen “Dauercampern” und dem “Altenheim” – alles sperrige Themen, denen Seeger durch eine unaufdringliche Nähe etwas abgewinnen konnte, das im Medium Fernsehen Seltenheitswert hat: Natürlichkeit. Nicht jene billige Variante der “fly-on-the-wall”-Überwachungsreportagen, sondern wirkliche Nähe durch Vertrautheit – und unauffällig gestaltete Schnittmuster der Dramaturgie. …
Also kein Film über Traditionen, auch keiner über Zwänge und Enge, sondern das Porträt einer scheinbar wirklich intakten Gesellschaft, einer Großfamilie, die Konservativismus auf die bodenständige Art buchstabiert: Statius quo und Lebensfreude. Ein scheinbar banales, aber wirklichkeitsnahes Fazit, das Seeger da zieht. …”
epd medienDer König von Mellen
”… Entstanden ist viel mehr als nur ein Film über das Schützenwesen: Seeger schildert das Leben im Sauerland, lässt die Dorfbewohner zu Wort kommen und bringt so ihr Traditionsbewusstsein sowie ihre Heimatverbundenheit zum Ausdruck. “Ich wollte den Alltag im Dorf und das Dorfleben zeigen”, sagt Seeger. Das ist ihm gelungen. Er selbst kommentiert nichts, was der Zuschauer sieht und hört, spricht für sich. Der Film gleicht einer Studie über den Sauerländer. …”
WestfalenpostTV-TIPP
“… Wie in seinen früheren Dokumentationen “Altenheim” und “Taubblind” lässt sich Wolfram Seeger auf sein Thema ein. Er lebt mit den Menschen und gewinnt so ihr Vertrauen. Dies ermöglicht eine einfühlende und authentische Darstellung, die das Alltagsgeschehen, von dem seine Filme handeln, weder verklärt noch dramatisiert. Ohne bloßzustellenden, verdeutlicht es die Wichtigkeit des Schützenfestes für den dörflichen Mikrokosmos, dem es gelungen ist, den Zusammenhalt und die eigene Identität zu wahren.”
Rheinischer MerkurZeigen, zeigen, nochmals zeigen
“… Der Dokumentarfilmer Seeger, der gleichermaßen für die Kamera, den Schnitt und die Regie verantwortlich ist, hat Vorurteilsfrei hingesehen, er zeichnet nüchtern auf, niemals darauf bedacht, das Schützenfest ideologisch abzuklappern. … Er kommt ganz ohne informationsspuckenden OFF-Kommentar aus, er verlässt sich auf seine Kamera und die Interviews, die er führt, Stück für Stück, Bild für Bild setzt sich so ein fein verästeltes Soziogramm des dörflichen Lebens zusammen. …
“Glaube, Sitte, Heimat” steht in Fraktur an der Stirn des Schützenfestzeltes. Kann dieses Bekenntnis dem Modernisierungsprozess trotzen? Sätze wie “jeder lebt so mehr vor sich hin” oder “heute tut sich alles so’n bisschen abschirmen” zeigen, wie die Dorfbewohner die Veränderung ihrer Lebenswelt wahrnehmen. Der Film beklagt das nicht, zeichnet nicht weich, fordert nicht. Er zeigt und zeigt und zeigt. Das ist seine fesselnde Stärke.”
FunkkorrespondenzVon Schützen und ihrem Dorf
“… Wolfram Seeger hat einen einfühlsamen Film gedreht, der auf die Fähigkeit der Fernsehzuschauer setzt, aufmerksam am Bildschirm sitzen zu bleiben. Wer dran bleibt, der erhält Einblick in eine Welt, die so heile nicht ist, wie sie zu sein vorgibt. Ohne dass jedoch die Menschen vorgeführt werden. Das ist selten in der heutigen Fernsehlandschaft, allein deswegen lohnt der Gang zum Einschaltknopf.”
Der Weg